Es ist und war natuerlich kein Rundbrief im eigentlichen Sinne des Wortes, denn damit waere doch wohl ein Brief gemeint, der im Stile frueherer Zeiten als wertvolles Einzelstueck nach vorher definiertem Plan von Hand zu Hand weitergereicht wird. Statt Rundbrief sollten wir deshalb vielleicht eher Streubrief oder Mailbewurf oder – unverfaenglicher – einfach Reisebericht sagen. Gut, ihr habt recht, das ist Haarspalterei, man weiss ja, was mit „Rundbrief" heutzutage gemeint ist, doch weshalb sollen wir uns mit Ungefaehrem zufrieden geben, wenn wir es besser koennen? Sollen wir unsere Sprache zu einem Grunzen und unser Denken zu einer wahllosen Aneinanderreihung von Schlagworten verkuemmern lassen, nur weil wir angeblich keine Zeit fuer Genauigkeit haben, weil wir immer am Rennen sind? „Haarspalterei" / was fuer ein abscheulicher Ausdruck fuer die edle Tugend der Genauigkeit! Man muesste unbedingt eine Liga zum Schutze der Haarespalter gruenden, und das Recht auf Haarspalterei sollte – als Grundlage jeder Wahrheitssuche – in die Carta der Menschenrechte aufgenommen werden! Ja das Haarespalten muesste als hohe Kunst anerkannt und oeffentlich gefoerdert und systematisch praktiziert werden. Doch davor fuerchten sich natuerlich die Autoritaeten, denn wo kaemen wir hin, wenn wir uns nicht mehr durch unsere Termine hetzen liessen, sondern damit begaennen, in aller Ruhe das Geflecht von Schlagworten zu untersuchen, in dem wir wie in einem Netz gefangen sind? / Was die Haare betrifft, so sind die Meinen – soweit noch vorhanden –seit zwei Tagen im uebrigen alle blau. Vicky meinte, eine gewisse Auffrischung der Fassade a la indienne koennte dem grauen „Uncle" aus Switzerland nichts schaden, und ich dachte mir dasselbe. Bis jetzt habe ich auch keine nachteiligen Effekte festgestellt. Mein Appetit ist nach wie vor gut, und die Farbe scheint nicht ins Hirn gesickert zu sein. – Jetzt aber Schluss mit den Praeliminarien.