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Im Dienste einer Idee: Edith Geheeb-Cassirer

Edith Geheeb-Cassirer (1885 bis 1982) stand lange im Schatten ihres Mannes Paul Geheeb. Obschon ihre zentrale Rolle in der Odenwaldschule und der Ecole d'Humanité nie verkannt wurde, wird sie in der Fachliteratur erst in jüngster Zeit gewürdigt. Zwei Tondokumente sollen hier an sie erinnern.

1959 sprach Edith Geheeb-Cassirer mit Walter Schäfer, dem ersten Biographen Paul Geheebs, u.a.

über ihre Jugend in Berlin, ihren Vater und sein Interesse für die Odenwaldschule
über ihre Arbeit als "Familienhaupt" und
über die Frage der Rückkehr nach Deutschland 1945/46.

Das hier erstmals veröffentlichte, ca. 20-minütige Interview ist die erste erhaltene Tonaufnahme von Edith Geheeb-Cassirer. Das Original des Bandes befindet sich im Archiv der Odenwaldschule.

In einem ca. dreistündigen Interview mit Dr. Otto Kopp, bei dem auch Armin Lüthi-Peterson und Aurobindo Bose anwesend waren, berichtete Edith Geheeb-Cassirer elf Jahre später erneut und sehr ausführlich über ihr bewegtes Leben und ihre Rolle als faktische Mitleiterin der Schulen ihres Mannes. Das Original der Aufnahme befindet sich im Geheeb-Archiv der Ecole d'Humanité. Der besseren Zugänglichkeit halber habe ich das Interview für die vorliegende Veröffentlichung in 18 Abschnitte unterteilt:


Vorspiel: "Es war gerade der Reichstagsbrand". Haussuchung in der Odenwaldschule im März 1933 .
Jugend in Berlin: Heiraten oder etwas lernen? Der Vater Max Cassirer, die Verbindung mit Alice Salomon, Ausbildung und erste Arbeitserfahrungen
"Da möcht ich hin". Die freie Schulgemeinde Wickersdorf. Kampf mit dem Vater und Besichtigung im Februar 1908
"Sind Sie Partei Wyneken oder Geheeb?" Sechs Monate in Wickersdorf: Heimliche Verlobung, faszinierende Schule
Der schwierige Weg bis zur Heirat. Oktober 1908 bis Oktober 1909
Ein halbes Jahr bis zur Odenwaldschule. Metzendorf, Darmstadt, die junge Ehe
Lauter Adlige und Offiziere. Otto Erdmann und die Odenwaldschule bis 1914
Die "neuen Häuser", das Kurssystem, die ungewohnte Freiheit. Leben in der Odenwaldschule 1910 bis 1914
"Mir ist ganz egal wer gewinnt ...". Geheebs Ablehnung des Krieges, Probleme in der Schule, der Vorwurf der mangelnden Kaisertreue. Die Jahre 1914 bis 1918
Ein Leben voller Katastrophen? Geheebs schwankender Optimismus, seine und Ediths Religiosität
1918: Abschied vom deutschen Föderalismus und den deutschen Fürsten. Inflationszeit, internationale Interessen und das aktuelle Problem der Autorität
Die Odenwaldschule, eine "Schule ohne Direktor"? Geheebs Demokratieverständnis und sein Führungsstil
1933: Politische Auseinandersetzungen in der Schule; Emigrationspläne
Neubeginn im Institut Monnier in Versoix bei Genf; Konflikte mit Wilhelm Gunning und Rausschmiss. Die Jahre 1934 bis 1938
Provisorium auf den Plejaden; das Schloss Greng am Murtensee; Streit mit Leo Schermann und Umzug nach Schwarzsee. Das Jahr 1939
Der Prozess mit Leo Schermann; die bundesrichterlichen Freunde Blocher und Studer; Netti Sutro und die schweizerische Hilfe für Emigrantenkinder; Nina Bausch und die Brauchitschkinder
Umzug nach Goldern im Mai 1946. Der zehnjährige Krieg mit Ernst Suter, dem Helfer in der Not
Nachspiel: Geheebs letzte Jahre; seine Neigung zu Resignation und Rückzug; der Wert seiner Pädagogik angesichts der Verzweiflung der gegenwärtigen Jugend; Geheebs Beziehung zur Natur.

Wie alle Erinnerungen sind auch Edith Geheebs Erinnerungen subjektiv und sachlich nicht immer richtig. Wer wissen möchte, wie es damals "wirklich" war, ist deshalb gut beraten, auch noch andere Quellen sowie die inzwischen erschienene Fachliteratur zu Paul und Edith Geheeb anzusehen.