An alle Interessierten, besonders aber an Margot, Irmi und Armin sowie die Schulleitung der Ecole d‘Humanité!, 6. April 1997, San Francisco
1. Die Geschichte der Ecole / das Geheeb-Archiv / die Biographie von Edith und Paulus / unsere weitere Zusammenarbeit:
Vielleicht ist das Gerücht ja bereits bis zu Euch durchgedrungen! Jwenn nicht, dann vernehmt es jetzt, aus meinem Munde bzw. durch dieses Email! Der National-Fonds hat mein Forschungsgesuch vom September vor ein paar Wochen genehmigt, und zwar - man höre und staune - ohne irgendwelche auch nur annähernd wesentlichen Abstriche oder Modifikationen! Gemessen an der üblichen Genehmigungspolitik des Nationalfonds ist dies - wie mir alle Insider bestätigt haben - ein super Erfolg! Ob dies mit dem "wissenschaftlichen Wert" des Geheeb-Nachlasses oder mit der politischen und pädagogischen Harmlosigkeit (???)des Forschungsthemas, mit der Gründlichkeit unserer bisherigen Arbeit oder mit irgendwelchen persönlicheren Dingen zu tun hat (vielleicht hat ein Kommissionsmitglied den Paulus noch gekannt oder ein Kind in der Ecole gehabt oder einen Vortrag von Armin gehört oder ...) - ich weiss es nicht! Jedenfalls ist es ein Erfolg, zu dem Ihr Alle - vorab wohl Margot und Irmi - viel beigetragen habt!
In der offiziellen Projektbeschreibung habe ich zum einen weitere Veröffentlichungen (kleinere Artikel zu bestimmten Themen und den Teil II der Geheeb- und Ecole-Biographie) versprochen. Um diese Dinge werde ich mich wohl (wie bis anhin) in erster Linie kümmern, wobei die Idee eines (im Wesentlichen von Euch, Margot, Armin und Irmi, zusammengestellten) Geheeb-Sammelbandes (Briefe, Texte, Photos) ja nach wie vor zur Diskussion steht.
Der abschliessende Ausbau des Geheeb-Archives bildete den zweiten Schwerpunkt meines Gesuches. Der Nachlass der Geheebs solle im Rahmen dieses Archives, so mein Versprechen, der Forschung und anderen interessierten Kreisen zugänglich gemacht werden.
Beide Teile meines Gesuches (Veröffentlichungen UND Archiv) sind wichtig. Was das Archiv angeht, so seit Ihr (Du, Margot, Irmi und Armin, und die Ecole als Institution) jedoch mehr gefordert als ich, auch wenn ich natürlich weiterhin nach Kräften helfen und mitarbeiten will! ! In diesem Zusammenhang hoffe ich, dass sich in Bezug auf den künftigen Archiv-Raum inzwischen eine für alle Beteiligten befriedigende Lösung gefunden hat. - Einen solchen Raum (mit ausreichendem Regalplatz, einem kleinen (funktionierenden!) Photokopierer (oder Scanner?), einem Telefonanschluss (und damit bei Bedarf auch Zugang zum Ecole-Computer, zu Email oder Internet), sowie Archivboxen u.a. notwendigem Büromaterial) werden wir - wie ich vor einigen Monaten u.a. mit Frédéric besprochen habe - während der nächsten drei Jahre auch dann brauchen, wenn wir später entgegen unserer bisherigen Politik zum Schluss kommen solten , dass es doch schlauer ist, das ganze Archiv einer Bibliothek oder einem Forschungsinstitut (Burg Ludwigstein, Sozial-Archiv Zürich ...) zu übergeben, da seine sachgerechte Betreuung in der Ecole längerfristig nicht gewährleistet werden kann. - Falls sich die Sache mit dem Archiv-Raum bis jetzt noch nicht geklärt haben sollte, möchte ich Euch dringend bitten, hier möglichst bald eine Lösung zu finden! Ich werde Mitte August wieder in der Schweiz sein und würde, wie ich Margot bereits früher versprochen habe, zwischen Ende August / Anfang September bei allen eventuellen Umzugs- und Einrichtungsarbeiten mithelfen.
Ich habe mich im übrigen inzwischen gründlich erholt und freue mich sehr auf die bevorstehende Arbeit. Ich freue mich nicht nur wegen der Themen, die ich während der nächsten Jahre bearbeiten will (die sind sehr spannend, das sage ich Euch!), sondern auch, weil ich die Zusammenarbeit, die sich im Laufe der letzten Jahre zwischen mir und der Ecole entwickelt hat, als eine ganz tolle Sache empfinde. Schliesslich bin ich auch gespannt, wie sich meine Mitarbeit im päd. Seminar der Uni Bern gestalten wird, denn dass ich mehr in den dortigen Seminarbetrieb integriert werden möchte war ein Teil der zwischen mir und Professor Oelkers getroffenen Verabredung.
2. Und ich - sonst?
Ja! Da könnte ich Bücher füllenè Ich bin kurz vor Weihnachten auf's Schiff, habe Silvester auf hoher See gefeiert, war dann - etwa vom 8. bis 15. Januar - bei Mariann Kozinsky und ihrem Mann, Bill zwei Zugenstunden nordwestlich von New York City; danach habe ich eine sehr kalte und spannende Woche auf den Strassen dieser verrückten Stadt zugebracht, von welchen ich mich in einer schwulen (Land)-Kommune in der Nähe von Nashville (Tenessy) - 16 mehr oder weniger spannende Männer, 4 Ziegen, 40 Hühner und drei Hähne, Holzofen in der Küche und Plumpsclo mit Blick auf viel bewaldete Hänge - erholt habe! Mitte Februar war ich drei oder vier Tage bei Dennis und Shelley, habe ihre Kinder und ihre Arbeit kennengelernt und die etwas verrostete Forscherbeziehung zu Prof. Shirley wieder in Jgang zu bringen versucht. Danach war ich zwei Wochen bei Frank Wolff's (Ex)-Frau in Jsan Diego, wo mich der alte Traum vom Segeln eingeholt hat. Den schönen Monat März habe ich grösstenteils in einem Krishnamurti-Studien- und Retreat-Center in Ojai zugebracht, wo ich - auf Anregung von Ulrich Brugger, einem alten Fän der Ecole! - einen Vortrag über die "School of Humanity" gehalten habe, der so herzerweichend war, dass Olga, eine äusserst interessante Frau aus Venezuela, mich gebeten hat, in einem ihrer leerstehenden Häuser in Caracas eine solche Schule einzurichten! Eine Schule wie die Ecole, nur ein bisschen anders! - Als zweites, etwas konkreteres Ergebis meines "Talks" hat Carin, die Leiterin der Oak Grove-Schule von Ojai - einem, wenn nicht dem Lieblingskind von Krishnamurti - beschlossen, Euch in diesem Sommer zu besuchen. Ich werde darüber noch direkt an Sarah und Alain schreiben,damit dieser Besuch nicht im Sommerloch verloren geht!
Nach einem Zwichenhalt in San Jose, wo ich - wie bereits in Ojai - von lauter HeilerInnen und HellseherInnen umgeben war, bin ich vor ein paar Tagen schliesslich hier in San Francisco gelandet! Zur Zeit wohne ich in einer relativ preisgünstigen, aber dafür auch recht lauten Jugendherberge; ich will bis ca. 20. Mai hier bleiben, um möglichst viel von dem, was hier "los" ist mitzukriegen. Ich will die "Gay Capital of the World" kennenlernen, will Kontakte zu SeglerInnen knüpfen, möchte mehr über Home-Schooling (in Kalifornien sehr verbreitet!!!) erfahren und mich noch weiter mit den esoterischen Strömungen um mich herum befassen. Ich hoffe, demnächst ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft zu finden, um so noch weniger Tourist und mehr Mitlebender sein zu können.
Irgendwann will ich dann auch noch nach Oregon -, zu Lois Diller (der Mutter von Steven und Keven) und zu Peter, einem Freund aus meiner eigenen Oregon-Zeit.
Zurück in die alte Heimat will ich - Stichwort Umweltverschmutzung und "alte Liebe zum Segeln" - nach Möglichkeit per Segeljacht -, ein Unternehmen, das mit weiteren Abenteuern bestückt sein und mindestens 10 Wochen in Anspruch nehmen wird, da man diese Art des Reisens nicht einfach so im Laden kaufen kann! Wie ich dies genau bewerkstelligen und von wo ich starten werde, hängt u.a. davon ab, was ich zu diesem Thema in den nächsten Wochen alles in Erfahrung bringe.
Dass dieser äussere Rahmen viel kleine und grosse Erlebnisse enthält, über welche ich mir kleine und grosse Gedanken mache, und dass ich mit all diesen Dinge wenn nicht Bücher, so doch sicher noch weitere zehn oder zwanzig Seiten füllen könnte, das könnt Ihr Euch bestimmt vorstellen! Wenn ich nur an den Frust denke, der mich manchmal befällt, wenn ich hinter einer dicken Glasscheibe in einem unterkühlten Greyhound-Bus sitzend durch die schönsten Gegenden der Welt (New Mexico, Arizona) fahre und NICHTS davon sehe -, oder wenn ich - wie jetzt in San Francisco - in einer fremden Stadt ankomme und mir - ohne Stadtplan, ohne Reiseführer und die tausend Broschüren und Hinweise, welche zum Wohle der Fremden überall ausgestreut und angebracht sind - im Laufe von Tagen auf mühsamste Weise aneigne, was meine touristischen KonkurrentInnen sich in ein paar Stunden ohne jede Mühe erobern ... Brrr! Was ich darüber schreiben könnte! Und dann über die Schönheit der Natur -, über den Bananenbaum im Garten von Albert und Kim's Haus -, über die vielen Obdachlosen, denen ich hier begegne und über die widersprüchlichenReaktionen, welche diese Begegnungen in mir auslösen -, über die Bücher, die ich hier lese -, über meine Freude am Umbekannten, Neuen -, über die Wellen des Pazifiks -, über das Mardigras-Kostüm von James und die Kinder von Dennis und Shelley ... Es würde vielleicht wirklich Jbücher füllen, wenn ich jetzt nicht notfallmässig aufhören und Euch Eurem eigenen Leben zurückgeben würde ...
Seit Alle ganz herzlich gegrüsst und lebt wohl bis spätestens im August oder September! - Wenn Ihr irgendwelche Pazifik- oder Atlantiksegler kennt (diese Anfrage ist ernst gemeint!) oder in der Sache sonst einen guten Tip habt, lasst es mich wissen! - Meine Email-Addresse (auch ich werde manchmal moderner) ist zur Zeit die einzig konstante Anschrift. Falls es deshalb etwas mitzuteilen gibt, so tut's doch elektrisch oder fragt bei meiner Mutter nach einer anderen Möglichkeit!
Noch einmal herzliche Grüsse und viele gute Wünsche Euch Allen! - Martin
PS 1: Inzwischen habe ich auch gehört, dass der Nationalfonds den grössten Teil der Druckkosten für "Geheeb I" übernommen hat; ungedeckt sind noch Fr.3.000.-, doch die kann ich zur Not auch selbst übernehmen. Das Buch wird also hoffentlich nach der Sommerpause erscheinen.
PS 2: E-Mailaddresse bis ca. Anfang / Mitte Juni: martinnaf@earthlink.net
PS 3: Wichtige Mitteilungen sonst immer an: Martin Frick, Sperrstrasse 7, 4057 Basel, Tel.: 061 681 44 07
PS 4:Nach mehreren fruchtlosen Anläufen versuche ich dieses Email heute erneut auf den Weg zu Euch zu schicken! Die Ersten sind manchmal doch wirklich die Letzten!!! ... Technik lässt grüssen - und ich auch! - Martin