An Rose C., 1. Dezember 1998, Basel
Also, liebe Rosi! Nachdem ich heute den ganzen Tag mit fast keinem Erfolg und ungefähr vier verschiedenen Fachleuten in den Eingeweiden meines Computers herumgestochert habe, um all die Dinge endlich zum Funktionieren zu bringen, die laut Prospekt und Hersteller und Händler jedenfalls und ganz problemlos - "nur einmal auf den Knopf drücken!!!" - gehen sollten ... - Das Ganze ist ein ziemlich zermürbendes Spiel. Es kommt mir ungefähr so vor, wie wenn man ein baufälliges Haus zu renovieren versucht: Da tust du einen Ziegel aufs Dach und dort fällt einer runter ... Dann endlich - Hurra - geht das Licht wieder, nur - oje ... - jetzt funktioniert die Spülung beim Klo nicht mehr. - Naja, sagt der Philosoph, man kann nicht alles haben, und für die entsprechende Aktivität kann ich ja, wie früher, in den Garten gehen oder an den Waldrand. Nur - wenn Du dann den Waldrand suchst, merkst Du, dass es den inzwischen nicht mehr gibt oder dass er zum "Naherholungsgebiet" aufgewertet wurde, und dass das, was Du vor hattest in diesem Rahmen verständlicherweise nicht mehr akzeptiert wird. - Ich könnte ja noch mein altes Textverarbeitungsprogramm brauchen - das hat damals alles gekonnt und getan, was ich von ihm wollte -, nur dieses Programm ist so veraltet, dass Andere die Texte, die ich damit schreibe, nicht mehr lesen und ich meinerseits auch die von diesen auf moderneren Programmen geschriebenen Texte nicht mehr lesen könnte ... Da sitzt man also stundenlang, flucht über Bill Gates, tippt irgendwelche Zahlen ein, löscht hier ein kleines Dateichen und ändert dort eine "Einstellung" und plötzlich! Hurra, der Ziegel hält! Zvieripause ... o Gott! Die Treppe ist weg ...
Also eigentlich ganz lustig, wenn man die Sache mehr als Zeitvertreib nimmt, als eine Art aufgemotzten Zauberkastens -, etwas mystischer als die Plastikdinger, die man heute kleinen Kindern zu Weihnachten schenkt. Ganz nützlich sind diese Spielchen auch, wenn man sich um die eigentliche Arbeit drücken will, denn da findet man immer irgendwas, was noch eingerichtet und verbessert werden müsste -, wobei, was heisst da es "müsste" verbessert werden ... Es Muss oder jedenfalls wäre es sehr gut, würde die Arbeit bedeutend vereinfachen und die Gefahr grosser Abstürze mit Datenverlust verringern ...
So sitzt man und weiss nicht, ob man die Sache einfach aufgeben oder nochmals einen Anlauf nehmen will ... "O kuck: Die Treppe ist wieder da! ... Seltsam ... Seltsam, aber toll! Schau, wie wir jetzt rauf und runter rennen können... - Was ist denn mit dem oberen Stock? Weshalb gibt's da plötzlich eine Küche? Wes...".
Und dann, am Abend, schreibt man der lieben guten Tante in Wien und statt ein wenig von sich zu berichten oder sich nach dem Ergehen der verehrten zu erkundigen muss man den ganzen Mist, den man tagsüber in sich aufgesammelt hat, zuerst wieder des langen und breiten aus sich herausschreiben, und die Ärmste langweilt sich zu Tode!
Es gäbe ja wirklich anderes, von dem ich schreiben könnte! Nur ist es inzwischen bald ein Uhr in den früh und es ruft mein Bett. Das steht immerhin noch fest auf seinen Füssen und wartet geduldig auf mich. Auch der Kühlschrank funktioniert noch so so la la und warm und kalt Wasser hab ich auch! Und eine Heizung. Also, so ganz schlimm ist's ja noch nicht.
So, liebe Rosi: Jetzt habe ich geschlafen - lange und sehr gut! Hab auch schon ein Bisschen gearbeitet und mit Hanna (der Herausgeberin von "Unterwegs") telefoniert. Sie wird heute Abend zum Essen und Musikmachen zu mir kommen! Ich selber will mich jetzt noch einmal um meinen Blindenschriftdrucker kümmern, den ich gestern vom Dachboden geholt habe, um ihn mit meinen neuen Geräten zu verbinden und damit wieder in sein aktives Leben zurückzurufen, ein Unternehmen, das bis jetzt noch nicht den gewünschten Erfolg hatte. Wenn er läuft, kann ich das, was ich in meinem Computer so drin habe auch für mich selbst lesbar ausdrucken, ein Luxus, auf den ich mich bereits sehr freue ... wenn es denn jemals wird.- Danach will ich endlich einen Gesprächstermin mit Hanspeter Müller vereinbaren, der mir etwas über ein paar Freunde meines lieben Geheeb aus den 40er und 50er Jahren erzählen soll. - Danach ...
Also, liebe Rosi! Ich mache jetzt Schluss, damit ich die diversen Dinge wirklich tue und nicht nur einen Nachmittag lang davon rede!
Lass Dich ganz fest an mein Herz drücken, Du gute liebe Tante! Einen schönen weiteren Tag wünsch ich und eine wunderbare Woche! Leb wohl und bis bald!