www.martinnaef.ch / 1.2: Briefe > To Hans W., 19. September 1997
.

To Hans W., 19. September 1997

Lieber Hans, Ich weiss nicht, was mit Dir los war am vergangenen Donnerstag: Termindruck, Sorgen, schlecht geschlafen, vorhergehender Ärger??? Ich weiss auch nicht, ob Du Dein Verhalten an diesem Tag "normal" und "o.k." fandest  oder ob auch Du etwas unglücklich  darüber warst. Ich jedenfalls war nicht nur unglücklich sondern auch sehr verärgert. Ich empfand   Dein Verhalten mir, vor allem aber Margot gegenüber als äusserst arrogant und als sehr verletzend. Es gibt sicher Gründe, die Deine Geladenheit erklären, denn ein Unmensch von Natur aus bist Du wohl genau so wenig wie sonst jemand von uns, nur: Ich will nicht unwidersprochen zum Opfer Deiner Laune werden, und noch viel weniger will und werde ich (dem "Frieden" zuliebe oder aus Angst oder um Dich zu schonen etc.) stillschweigend zuschauen, wenn Du andere so ungeduldig, so verachtend und von oben herab behandelst, wie Du es am vergangenen Donnerstag mit Margot getan hast. Ich fand und finde dieses Verhalten absolut unakzeptabel, auch wenn Du im Stress gewesen sein solltest.

Ich weiss nicht, ob Du diese Seite von Dir als problematisch empfindest. Ich empfinde sie jedenfalls als sehr destruktiv und blockierend, und das Beste, was ich m.e. in diesem Fall tun kann, ist, nicht auf meinen Mund zu sitzen, sondern zu sagen: he, stop! So nicht! - Ich weiss nicht, wie Du selbst mit Deiner Launenhaftigkeit umgehst, aber ich finde, dass Du in Deiner Funktion Deine Stimmungen nicht einfach so ausleben und dabei so tun kannst, als ob das alles kein Problem ist. Du hast andauernd so viel mit Menschen zu tun, dass Du nicht einfach so drauflosklotzen kannst, als ob nichts wäre! Du hast letztlich auch nichts davon, wenn Du zu einer Art Tyrann wirst, vor dem Alle den Schwanz einziehen und Bücklinge machen, weil sie auf seine Gunst angewiesen sind und gleichzeitig Angst vor seinen Launen haben. Eine Lapalie war Dein Auftritt nicht! - Ich weiss nicht, was Du in der Sache tun willst; ich fände es sehr angemessen, wenn Du Dich bei Margot entschuldigen würdest -, doch natürlich ist das Deine Sache. Ich weiss ja nicht, wie ihr zueinander steht und welche Probleme Du sonst mit ihr hast. Ich kann mir gut vorstellen, dass Dich ihre Kompliziertheit manchmal sehr nervt, und dass Du Dir z.B. an dem Donnerstag eine effizientere Behandlung unserer Anliegen, mehr Klarheit etc. gewünscht hst. Gründe für Dein Verhalten gibt es sicher, doch akzeptabel ist es für mich wie gesagt trotz allem nicht! Wenn es Spannungen, Probleme, Komplikationen gibt, dann müssen wir andere Wege finden, damit zurecht zu kommen!

Nachtrag, 7. 10.:

Nachdem ich über zwei Wochen lang unsicher war, ob ich Dir diesen Brief wirklich schicken solle, tue ich es heute endlich, weil ich peinlich berührtes Schweigen oder ängstliches Augenzumachen und Schwanzeinziehen in diesem Fall wirklich für nicht gut halte! Ich würde mich freuen, wenn Du Dich irgendwie bei Margot entschuldigen könntest; wenn das nicht geht, hoffe ich zumindest, dass wir in Zukunft friedlicher miteinander arbeiten können, und dass Du (Spannungen oder Genervtheit hin oder her) vor allem Margot mit mehr Respekt und Geduld behandelst als an dem fraglichen Donnerstag! - Was die Arbeit angeht, so sind wir inzwischen ja bereits wieder auf gutem Weg. Von Armin habe ich gehört, dass Du mit der Art,wie wir den Archivraum eingerichtet haben,  ganz zufrieden bist, und die Sache mit dem Schrank und dem Kopierer ist ja auch geregelt. Was diesen angeht, so lege ich Dir noch die  Offerte bei,die ich hier in Basel vor einigen Tagen erhalten habe.  Das Modell C96 scheint dasjenige zu sein, das wir brauchen: Tischmodell, nicht gross und - was die Kopierqualität angeht - hoffentlich ebensogut wie der Apparat, auf dem Du letzte Woche die Probekopien gemacht hast. Diese sind ja wirklich sehr befriedigend herausgekommen!

So. Jetzt ist es gesagt! Ich wünsche Dir eine gute Zeit und grüsse Dich bis zum nächsten Mal ganz herzlich!