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An Franck W., 14. August 1992

Lieber Franck! Jetzt solltest Du hier sein. Ich mache gerade noch einmal Kaffee. Bis vor 5 Tagen war es hier - sicher 3 Wochen lang -ständig um 30 Grad oder wärmer, für unsere Verhältnisse also sau heiss! Seit Beginn dieser Woche sind die Temperaturen nun immer zurückgegangen und heute Abend ist's fast Winter! Ich jedenfalls sitze hier mit meinem Pulli und fröstle leicht ... Überhaupt ein seltsamer Tag bis jetzt! –

Ich war gestern Abend wieder in Zürich an der Theaterprobe. Wir haben in ca. 3 Wochen Premiere und müssen jetzt ziemlich heftig proben. So gegen 12 Uhr war ich wieder hier und irgendwann um die 1 herum im Bett. Heute früh habe ich lange - wiedermal richtig lange und gut! - geschlafen, konnte dann gerade noch ein wenig z'mörgele, bevor ich mich mit Ina und Martina im Schlotterbeck getroffen habe, um für unsere Performance in 10 Tagen zu proben. Es wird wieder ziemlich dieselbe Geschichte wie damals, im Mai, als Du dabei warst, nur dass diesmal die Frau mit Stimme und Geige fehlt. An ihrer Stelle wird Martinas Freund, Kurt, Rhythmussachen machen. Nun, wir werden ja sehen wie's diesmal wird ...

Als ich wieder hier war, habe ich ein wenig gegessen und Klavier gespielt, dann kam Andi, mein Akkordeonschüler. Wir haben ein wenig von den Ferien berichtet, danach gespielt. Sehr friedlich, relativ lange. Er hat mir ein Stück vorgespielt, das er für sich gelernt hat. Ein holländisches Wiegenlied. Sehr schön, sehr ruhig und wirklich wiegend! Ich habe ihm gezeigt, wie er die Sache begleiten kann. Gleichzeitig habe ich an früher gedacht, an die Ecole, den Hängemattenkurs mit Spyler, die Metallringe, die wir dort brauchten - habe daran gedacht und denke den ganzen Tag an solche Dinge - auch an Frederics 33 Geburtstag, an Dein Zimmer oben auf der Galerie und an die Dauerläufe nach Reuti, die ich mit Fis B. und Wolfgang B. oder wie er hiess, gemacht habe. Als ob ich von der Ecole geträumt hätte -so begleitet sie mich heute ständig.

Ein seltsamer Tag. Ich habe an Briefe gedacht, die ich schreiben könnte - auch müsste - vor allem einen über die Zukunft oder besser die Nicht-Zukunft von "Endlich", meine Resignation in Sachen Erziehung, meine Hoffnungen und Utopien in dieser Richtung ...

Andi ist dann irgendwann gegangen mit seinem Akkordeon und ich habe mit Hanna telefoniert und noch einige Details für die aktuelle Nummer von "endlich" besprochen: die Reihenfolge der Beiträge, den Bericht über die freie Volksschule Aarau, die Pleite gemacht hat und so weiter.

Dann war's plötzlich schon 6 Uhr abends. Es fühlt sich alles still und, wenn nicht winterlich, dann immerhin herbstlich an. Ich denke an Renzo, doch es will sich kein Gefühl regen in mir. Gestern Abend, auf dem Heimweg von Zürich, da wollte mich eine Ungarin - vermutlich 40 oder 50 jährig - Einladen: zu einer Wanderung oder so, weil ich so sympathisch lache und so schöne gelbe Hosen anhabe! ... Ich wollte aber nicht ... Nur eben: was will ich. Was will ich eigentlich?

Bei Renzo spürte ich doch lange immer so ein warmes, gutes Gefühl. Seit ca. 2 Monaten aber spüre ich da, wo mal dieses Gefühl war, nichts mehr. Höchstens noch so einen Hauch, einen ganz fernen Nachklang. - Ist das die Liebe, die man da so spürt, in der Gegend des Bauches und des Herzens? - Es ist, wie wenn dort was schmilzt, wenn ich es spüre ... Wenn! Aber eben. - Ich bin traurig, dass es nicht mehr kommt, dieses Schmelzen, denn das ist sehr schön und gibt mir das Gefühl, nicht alleine zu sein. Jetzt bin ich wieder alleine und darf es erst noch nicht sagen. Oder ich meine jedenfalls ich dürfe nicht, weil es den Renzo verletzen könnte und wir dann wieder lange, traurige Gespräche haben. Ich denke, dass das Gefühl vielleicht wieder kommt. Denn es sind eigentlich so ziemlich alle Gefühle fort seit ca. 2 Monaten, nicht das Gefühl der Liebe. Wie wenn jemand mit einer Stecknadel in mich gepiekst hätte und jetzt ist alle Luft raus aus mir. Keine Begeisterung mehr für nix. Keine warmen Gefühle, keine Freude mehr für und an und über irgendwas. Richtig schwierig ist das. Ich warte sozusagen auf die Inspiration, den Guru! - Die ungarische Frau quiekte richtig, als sie mich einlud, aber ich habe trotzdem nicht gewollt. Ich habe ihr aber auch nicht gesagt, dass ich eher auf Männer stehe, denn ich wollte sie ja nicht enttäuschen und man soll sich ja auch nie eine Chance endgültig verbauen. Aber eben - zurück zum Thema! - der Guru kommt nicht oder er ist so doof, dass ich nicht will. Z.B. Rudolf Steiner oder Baguan. Nein. Doch nicht. Also stümpere ich immer noch so in meinem Leben herum, bin in irgendwelche nicht rentierenden und nicht funktionierenden Vereinen dabei, schreibe immer irgendetwas, z.B. über den Zusammenbruch des selbstverwalteten Anna Göldin Gymnasiums oder sonst was -, müsste mich eigentlich aufraffen ...

O Franck, du müsstest hier sein, dann würde ich dir meine ganze Seele ausbreiten, mit allen Fragezeichen, allen Seufzern und Sehnsüchten ... Irgendwie habe ich mein Lebensschiffchen in eine falsche Richtung gesteuert. Jetzt drifte ich in irgendeiner Bucht oder stecke in einem Fjord, weit ab von den übrigen Menschen und weit ab vom offenen Meer, wo Verkehr ist und wirkliche Schifffahrt!

Seit zwei Jahren besteht mein Leben vor allem - zu 95% - aus Fehlentscheidungen und Misserfolgen. Ich lebe, aber was tue ich eigentlich. Ich arbeite für eine kleine Zeitung, die kaum jemand liest, arbeite für einen Verein, der im Kanton Zürich einen Schulversuch ins Leben rufen will und bis jetzt - seit 2 oder 3 Jahren - erst ein kleines, 2-seitiges - Konzept geschrieben und sonst noch nichts getan hat. Ich wollte Artikel für Zeitungen schreiben, habe dafür telefoniert und gemacht und - ja doch: einen oder zwei habe ich geschrieben - 6 oder 8 wurden abgelehnt. Ich habe mich in ein Theaterprojekt gestürzt! ein anderer Traum, der damit in die Brüche ging. Statt lustvoller gemeinsamer Arbeit, frustige Unter- und Einordnung unter eine inkompetente, relativ konventionelle Regie, statt Entfaltung unserer Kreativität, Anpassung. - Ich habe geholfen einen Verein zu gründen - Verein der freien Schulen der Schweiz - habe schon zur Vorbereitung der Gründung an unzähligen Sitzungen teilgenommen und ebenso unzählige Papiere verfasst und jetzt ... Ich bin im Vorstand dieses Vereins und wir verfassen nun gemeinsam - d.h. zwei oder drei Aktive - in ebenso vielen Sitzungen ebenso viele Papiere ... und es bewegt sich nix! - Ich habe immer wieder einen Anlauf genommen, über Geheeb zu schreiben, aber alle Anläufe sind stecken geblieben. Das Material ist da, die Lust irgendwie auch - auch die Liebe zum Thema, die Identifikation - aber es geht doch nicht. Irgendwie geht's nicht. Zu schlaff. Zu wenig inneren Überblick übers Thema, zu wenig Schwung beim Schreiben ... Ich bin mit meinem Lebensschiffchen wirklich in irgendeinen gottverlassenen Fjord geraten, wo einfach nix los ist! Frank, das ist schrecklich! Where is the Guru? Where is the answer? - The answer?

Urs sagt mir, die Antwort sei 42 - das hat er aus irgendeinem Film. Ich kann's aber fast nicht glauben. Ich sagte: 43 -aber er besteht auf 42; ja dann.

Morgen muss ich um 3 Uhr wieder im Schlotterbeck sein. Nochmals proben. Diesmal zusammen mit dem Drummer. Am Sonntag bin ich tagsüber in Zürich. Ebenfalls Probe. Am Montag kommt Claudia, um vorzulesen ... was nur? was will ich denn noch lesen? - Am Dienstag abend kommt Rolf - ein richtiger Mann mit einem richtigen Job bei der Stadt! - um Klavierimprovisation mit mir zu machen. Er kommt zum zweiten mal - und tatsächlich. Die erste Stunde mit ihm vor ca. 10 Tagen war wirklich gut - hat mir gefallen, ähnlich wie die Akkordeonstunden mit Andi. Rolf scheint auch ganz zufrieden gewesen zu sein, hat viel Temperament, sagt, was er will und was nicht etc. - also sehr angenehm. Er bezahlt auch 50 Franken, was auch nett ist! -Am Mittwoch kommt mein Vater, um mich über Geheeb zu interviewen. Die Ecole möchte eine Art Broschüre oder so machen: über die Schule, die Geschichte, die Ziele etc. und dazu soll ich also befragt werden. Die Idee stammt von meinem Vater, der ja Präsident der Genossenschaft ist. Auslöser ist die auch für die Ecole schwieriger gewordene Finanzlage. Am Donnerstag ist wieder Probe, am Freitag Akkordeon, am Samstag ... ja, was war am Samstag?

Seltsam. Ganz ruhig ist es hier. Als ob niemand im Haus ist. Auch unser Telefon ganz ruhig- ungewohnt ruhig! Für den Initiativkreis für Freiheit im Bildungswesen (Zürich) sollte ich eine Art Leitbild oder Grundlagenpapier schreiben. Soll dafür auch Geld kriegen - 2 oder 3 tausend Franken, wenn ich will. Aber auch hier: keine Lust! Wozu noch ein Leitbild. Noch einmal sehr kluge Ideen (oder auch mittelmässige) ... - Irgendwie bin ich etwas verbraucht.

Wenn ich träume, dann sehe ich mich auf einer kleinen Jacht an der englischen Ostküste. Wir sind zu viert und wollen in 3 bis 5 Wochen ganz um England, Schottland und  Irland herum, vielleicht auch noch zu den Hybriden-Inseln (Richtung Island)! - Oder ich sehe mich auf einem Feld arbeiten. Rüben aus dem Boden ziehen, so wie Andres - ja der gute, geliebte, grossartige Andres! -, der jetzt im Tessin auf einem Bauernhof ist, Ziegen melkt und Kühe auf die Weide treibt, Heu schneidet und einbringt! - Vielleicht so. - Oder ich sehe mich in einem grossen Bett, von vielen weichen, schönen, liebevollen Körpern umgeben - nur so. No action. No sex. Just relaxing ... Oder ich sehe mich: Erfolg haben, ja Erfolg! Ein wichtiges Amt, Anerkennung, ein Büro, natürlich mit Sekretärin! - Reporter, die kommen und fragen, ob ich dafür sei, ständige Telefonate, und alle möchten immer abdrucken, was ich geschrieben habe, würden mich immer zu irgendwelchen Podien einladen, damit ich meinen Senf in die Sause machen kann ... Oje! Solche Träume. Oder: Singend auf der Bühne - singend und Klavier spielend. Zusammen mit ein oder zwei anderen Menschen. Wir singen alle, dann klatschen die vielen Zuschauer und lachen und wir sagen: "ja ja!" und die lachen wieder! Noch lauter! Das wär auch gut! Oder an einem Feuer sitzen, dann in die Schlafsäcke kriechen und schlafen. Aber ohne Mücken! Nur Mond und Grillen (nicht zu laut) und der Rest des Feuers, das still vor sich hin brennt. Das wäre auch ganz schön.

So ziel- und formlos, wie dieser Brief fühlt sich mein Leben an zur Zeit! - Schon seit Wochen keine Begeisterung mehr, keinen Enthusiasmus. Ich mach halt alles, weil man's ja machen kann. Aber ... sinnvoll? Am 12. September ist die Generalversammlung der Vereinigung der freien Schulen. Wir brauchen jemanden, der Sekretariatsarbeiten übernimmt ... Wir wollen professioneller werden. Gleichzeitig: ist irgendjemand da, der wirklich will? ... Auch Querflöte spiele ich schon seit Wochen nicht mehr. Dafür allerdings ab und zu Akkordeon, Blockflöte oder Klavier -aber eigentlich auch diese Dinge mehr einfach so ...

Mein lieber Frank! Ich schicke dir in nächster Zeit einmal vielleicht eine Kassette mit Liedern von Ernst Born und/oder Tom Lehrer. Vielleicht lege ich die Kassette auch zu diesem Brief. Für heute höre ich jedenfalls auf mit schreiben! Viel mehr kommt im Augenblick nicht mehr raus!

Leb wohl, Du existenzieller Wanderer zwischen den Welten! Sag einen ganz ganz lieben Gruss an Cathrin. Ich will auch ihr mal schreiben! Sag ihr, ich denke immer wieder an sie!

15. August, Samstagmittag. Mein innerer Dialog mit Dir ist noch im Gange, auch meine Unruhe, meine Fragen. Das fehlende Gefühl der Liebe plagt mich. Ist Liebe vielleicht das, was übrig bleibt, wenn die Gefühle fort sind? Ist "Liebe" im Grunde eher ein Entschluss, etwas willensmässig-rationales. Der Entschluss, "mit dir will ich mein Leben gestalten. Wir gehören zusammen. Oder kehrt das warme Fliessen der Gefühle in meinem Körper irgendwann zurück -, dann wenn die momentane Stagnation, die allgemeine Lustlosigkeit und Orientierungslosigkeit überwunden ist. Das kann ich mir eigentlich gut vorstellen: wenn mein Leben wieder eine bestimmte Richtung erhält, dann werden auch die schönen Gefühle für Renzo zurückkehren. Jetzt ist nur eine Art trockener Entschluss da ... Das sagt mir die eine Stimme. Die Andere Stimme sagt: "This is the end. Face it, man!" ... Ich weiss es nicht. - Eben ruft Betina an. Auch zwischen ihr und Urs hat die Liebe in letzter Zeit ein ziemlich schwieriges Theater aufgeführt, gar nicht so, wie sie in den Filmen vorkommt: lächelnd, zärtlich, offen, wohlwollend!

So gehe ich seit Wochen durchs Leben - ziemlich still - nach aussen,  oft relativ lustlos, aber durchaus "arbeitsfähig", auch nicht direkt und massiv deprimiert. Aber doch gedämpft. Manchmal falle ich in dieser Orientierungslosigkeit über den armen Renzo her, will ihm deutlich machen, wie verkehrt diese oder jene Reaktion oder Haltung von ihm ist, fordere ihn heraus, sich zu verändern, den Mut für Veränderungen zu haben. Dabei werde ich aufdringlich, bedrängend. Es klingt zuerst so, als ob es bei allem nur um ihn, um "sein Bestes" gehe. Dann plötzlich merke ich, dass ich meine Orientierungs-und Kraftlosigkeit nicht mehr ertrage. Durch seine Kraftlosigkeit - die er natürlich auch hat - werde ich irgendwie mit mir konfrontiert. Dann will ich, dass er sich ändert, weil ich mich überfordert fühle mit mir ... Wenn es mir besser oder sagen wir anders ginge, dann könnte ich vielleicht wieder viel gelassener und liebevoller neben ihm stehen, ihn begleiten und lieben und seine Zuneigung zu mir geniessen.

Vor einer knappen Stunde habe ich mit Andi telefoniert. Ein alter Freund von mir - noch aus der Schulzeit. Er erzählte von seiner Arbeit im Staatsarchiv. Er hat dort sozusagen als Hilfsarbeiter begonnen und ist im Laufe der letzten 12 Jahre zu einem ganz unentbehrlichen Mitarbeiter geworden. Ist in vieles gut eingearbeitet, ist zuverlässig etc. etc. - Er hat jetzt eine Institution und Aufgabe. - Mich beschäftigt in Zeiten der Innern Kraftlosigkeit meine soziale Randständigkeit doch sehr. Immer wieder habe ich das Gefühl, "niemand" zu sein, sehne mich - wie oben gesagt - nach "Erfolg", nach "Bestätigung" durch äussere Dinge wie Lohn, Aufträge, Status.

Einerseits gibt es Zeiten, in denen ich mich freue über mich. Da denke ich: Ich gehe relativ frei durchs Leben. Habe ganz verschiedene Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Habe Einblicke und Fähigkeiten in ganz verschiedenen Bereichen. Bin offen und in gewissem Sinn sehr Lebensfähig. Habe auch etwas zu sagen ... - Dann - zu anderen Zeiten - merke ich nur, dass ich alt werde. Dass ich es "zu nichts gebracht" habe, dass ich "keinen Posten" habe. Zwar habe ich früher einmal dies und jenes geleistet, aber seither bin ich irgendwie ins soziale Abseits gerutscht. Einmal war ich relativ nahe dran am Erfolg, am Wohlstand, am Dazugehören. Aber jetzt ... -Andere haben es inzwischen geschafft! Ich nicht ... Noch halte ich mich - materiell und psychologisch - knapp über Wasser, noch gibt es Orte, wo ich "jemand" bin, aber die Fassaden und Illusionen zerbröckeln. Es wird immer sichtbarer, dass da eigentlich nur ein arbeitsscheuer, relativ mittelmässiger Psychopath ist. Kein Genie. Kein Führer, kein zukünftiger Stern am Himmel der Schweizer Intellektuellen. Ein Frührentner, der sich mit grossen Sprüchen über sein Versagen hinwegtäuscht. ... Dann denke ich wieder, dass Jesus und andere auch "Versager" waren, Versager und Psychopathen. - Vielleicht sollte ich dieses "Schicksal" mit Lust annehmen, statt mich krampfhaft dagegen zu sträuben und zu versuchen, trotz aller Innern Widerstände "Normal" zu bleiben ...

In Bezug auf die Arbeit hiesse das meinen manchmal völlig bedrängenden Gefühlen in Sachen Pädagogik freien Lauf zu lassen und mich z.B. - so eine Idee der letzten Wochen! - an das Pestalozzi-Denkmal, das an der Zürcher Bahnhofstrasse so unschuldig steht, anzuketten, um damit gegen die Vergewaltigung unserer Kinder und Jugendlichen in unsern Schulen zu protestieren. - Nicht vernünftig sein, noch einen Artikel (der doch nicht veröffentlicht wird!) schreiben, sondern mutig sein! So denke ich, und dann sage ich mir wieder: Nein, Nein! Das würde gar nichts bringen ... (spüre dabei allerdings auch, dass ich ziemlich Angst davor habe, so radikal zu sein ...).

So geht es dauernd hin und her in mir, und ich komme zu keinem Ent-Schluss. - Urs telefoniert mit Betina. Er spricht heftig und gequält. Scheiss Liebe! Will einfach nicht idyllisch bleiben bis ans Ende unserer Tage! In der Luft hängt der Duft von frischer Farbe - zieht aus dem Treppenhaus zu uns in die Wohnung. Urs der fleissige ist nämlich daran, unser Klo zu streichen. Es wird - wenn Du wieder hier bist (und du sollst bald kommen!) - der schönste Raum unserer Wohnung! Damit wir das Her ausscheissen all des in uns angesammelten Zeugs wirklich mehr geniessen als jetzt ...?

Armer Franck, so einen langen Brief musst du lesen! Dabei würde es Dir sicherlich auch gut tun, solche Briefe zu schreiben! - Oder gleitest Du zur Zeit über ungetrübtes, tief blaues Gewässer - ohne dass irgend ein Zweifel, irgendeine Frage Dich beunruhigt? - Oder (auch eine schöne Variante) hat jemand dich an Bord genommen und fährt Dich in seinem Schiff übers grosse Gewässer des Lebens, Dir das gute Gefühl gebend, alles - Ziel und Richtung - sei klar!? ...

Lieber Franck. Ich nehm heute oder Morgen noch die versprochenen Lieder auf. Vor allem der kritische Ernst Born, der Basler Liedermacher, drückt viele meiner eigenen Gefühle und Gedanken zum Leben, Zur Welt aus, sehr viel! Ich war ziemlich verblüfft, als ich ihn vor einigen Wochen wieder einmal (nach langer Zeit) ausgegraben und angehört hatte! Dabei erinnert er mich auch sehr an die Ecole, an Michi K., Cherart C., Eric B., dich und Astrid, Frederic und und und!

Nun denn-, noch einmal: Sag ganz liebe Grüsse an Cathrin! Und: "Don't panic, go shoping" - wie Urs kürzlich zusammenfassend formulierte! Je te salue et je t'embrasse fortement! A bientôt! - Take care!